Erwerbswaldgärten als wirtschaftliche Form der Permakultur
Die Permakultur bietet ein faszinierendes Konzept für eine nachhaltige, ökologische Form der Landbewirtschaftung. Umso mehr verwundert es, dass sich nur wenige Bäuerinnen und Bauern mit Permakultur auseinandersetzen und versuchen, ihren eigenen, erfolgversprechenden Ansatz dabei zu finden. Ein Erklärungsversuch, um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, findet sich möglicherweise in der zu geringen Wirtschaftlichkeit und damit in der mangelnden Einkommensbildung. In diesem Beitrag versuche ich, mit dem Erwerbswaldgartenkonzept eine praktikable Form der Permakultur vorzustellen.
© Hannelore Zech | Permakultur wirtschaftlich gestalten – ein Gebot der Stunde
Obwohl die Permakultur von Bill Mollison als Form der Landwirtschaft im Sinne einer „permanent agriclture“ konzipiert wurde, hat sie in den letzten vierzig Jahren zumindest im deutschsprachigen Raum wenig Zuspruch von Bäuerinnen und Bauern erhalten. Andererseits zeigen sich außerhalb der Landwirtschaft, speziell im Selbstversorgungssegment und in der Gestaltung von Privatgärten unzählige Beispiele mit zum Teil sehr guten Ansätzen und faszinierenden Gestaltungselementen und es wäre ein Leichtes, die dahinterliegenden Prinzipien auf die Ebene der Landwirtschaft zu übertragen.
Die Krise als Chance nutzen
Die gegenwärtige Situation mit ihren gesellschaftlichen, sozialen und vor allem ökologischen Herausforderungen mahnt uns sehr deutlich, dass wir vermehrt auf kleinteilige, regionale und vielfältige Versorgungssysteme Acht geben sollten. Trotz dieser angespannten Situation geben leider noch immer viele landwirtschaftliche Betriebe ihre Höfe auf, weil sie im Bereich der herkömmlichen Landwirtschaft keine Entwicklungsperspektiven für sich sehen. Dabei ist schon heute absehbar, dass die Versorgung mit regionalen, klimaangepassten Produkten ein vielversprechendes Marktpotential darstellt und ein Gebot der Stunde ist. Je nach Ausrichtung und Zielsetzung lässt sich mit 1 ha Erwerbswaldgarten ein zufriedenstellendes Zusatzeinkommen erwirtschaften und garantiert damit eine regionale Versorgung ohne Abhängigkeit von Agrarindustrie und Großabnehmern.
Erwerbswaldgärten orientieren sich an den Prinzipien der Permakultur, legen den Schwerpunkt allerdings auf die wirtschaftliche Dimension und verfolgen das Ziel, mit geringem Investitionsaufwand ein lukratives Einkommen zu erzielen. Im Erwerbswaldgartenbau wird eine Fläche unter Berücksichtigung der Boden- und Standortverhältnisse, der klimatischen Voraussetzungen und in Bezug auf die zu erwartenden Marktchancen mit unterschiedlichen ess- und nutzbaren Pflanzen bewirtschaftet. Neben hoch- und niederwüchsigen Bäumen finden auch Sträucher, Kräuter und (Wild-)Gemüse, sowie bodendeckende, wurzelbildende und rankende Pflanzen ihren optimalen Platz. Je nach Interesse und zeitlicher Verfügbarkeit, können auch verschiedene Tierhaltungsformen und Dienstleistungen in das Betriebskonzept integriert werden.
© Gilbert Kahihia| In vielen Teilen der Welt beginnen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihre Höfe nach dem Waldgartenprinzip zu bewirtschaften
Für wen eignet sich der Erwerbswaldgartenbau?
Diese Frage lässt sich auf den ersten Blick sehr einfach beantworten: für alle Menschen, die ein Stück Land zur Verfügung haben und daraus einen Teil ihres Einkommens erzielen möchten. Auf den zweiten Blick zeigt sich mit dem Erwerbswaldgartenbau eine interessante Alternative für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, für die eine herkömmliche Bewirtschaftung nicht mehr rentabel ist und die ein großes Potential an frei verfügbaren Arbeitskraftstunden zur Verfügung haben. Der wohl zahlenmäßig größte Teil an potenziellen Erwerbswaldgärtner/innen und Waldgärtnern findet sich in der Gruppe der Grundbesitzer/innen, die in den letzten Jahren ihre Bewirtschaftung aufgegeben und ihre Flächen verpachtet haben. Laut Agrarstrukturerhebung der Statistik Austria haben allein in Österreich in den letzten 30 Jahren exakt 122.246 Betriebe ihre Betriebe stillgelegt. Der Großteil dieser Flächen ist noch immer im Familienbesitz und könnte kurzfristig zumindest teilweise wieder zurückgenommen und in Erwerbswaldgärten umgewandelt werden. Hier zeigt sich neben der wirtschaftlichen Dimension auch schon die große Bedeutung für die Steigerung der Artenvielfalt und für die ökologische und klimatische Stabilisierung unserer Umwelt.
Letzten Endes eigene sich Erwerbswaldgärten aber auch für alle landwirtschaftlich interessierten Menschen, die über die Selbstversorgung hinaus ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften wollen. Wer mit offenen Augen durch seine unmittelbare Umgebung wandert, findet sehr rasch Flächen, die verfügbar sind.
Mit einem gut durchdachen Gestaltungskonzept lassen sich dabei mittel- bis langfristig gute Erträge erwirtschaften und einen Übergang bzw. einen Wiedereinstieg in die Landwirtschaft ermöglichen.
Was macht einen Erwerbswaldgarten wirtschaftlich erfolgreich?
Der große Vorwurf, mit dem sich die Permakultur seit jeher auseinanderzusetzen hat, betrifft ihre praktikable Umsetzung und damit ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit der regionalen Bevölkerung. Das Konzept der Erwerbswaldgärten entkräftet diesen Vorwurf, wenn wir dabei ein paar Grundregeln der Wirtschaftlichkeit berücksichtigen.
Gut durchdachte Übergangsphase
Der zeitlichen Dimension der Erwerbswaldgartengestaltung ist bei der Planung ein großes Augenmerk zu widmen. Vom Beginn der Bepflanzung bis zum Vollertrag vergehen viele Jahre. Bei hochwüchsigen Bäumen über zehn Jahre, bei niederwüchsigen Obstbäumen können wir ab dem fünften Jahr mit Erträgen rechnen und Sträucher benötigen meistens drei bis fünf Jahre für den Wechsel in die Ertragsphase. Diese Übergangsphase, in der anfänglich nur Pflege- und Gestaltungsarbeiten zu erledigen sind, kann genutzt werden, um in der Produktentwicklung Rezepturen und Arbeitsabläufe auszutesten bzw. Vermarktungswege zu finden und aufzubauen. Die Übergangszeit kann aber auch dafür genutzt werden, einen sorgsamen Übergang vom außerbetrieblichen Arbeitsfeld in die neue Selbständigkeit zu ermöglichen bzw. Schritt für Schritt die außerbetriebliche Arbeitszeit zu verringern.
Nutzung vorhandener Ressourcen
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht verursachen die Fixkosten, die durch die Errichtung von baulichen und technischen Anlagen entstehen, einen erheblichen Anteil an den gesamten Produktionskosten und erschweren dadurch die vollkostendeckende Preiskalkulation zu vernünftigen, regional üblichen Stückpreisen. Der erfolgreiche Betrieb von Erwerbswaldgärten erfordert grundsätzlich geringe Investitionskosten. Durch die Nutzung vorhandener Ressourcen können diese geringen Investitionskosten noch weiter reduziert werden, indem zum Beispiel bestehende Gebäude und vorhandene Maschinen für die Produktion mit handwerklichem Geschick adaptiert werden. Speziell in der Anfangsphase der Be- und Verarbeitung reicht es in den meisten Fällen aus, die bestehende Küchenausstattung mit geringem Aufwand so zu adaptieren, dass eine lebensmittel- und hygienerechtlich passende Arbeitssituation geschaffen werden kann.
Konzentration auf die Hauptprodukte
Eine große Artenvielfalt ist auch im Erwerbswaldgarten wichtig und sinnvoll, um Synergien aufzubauen, zu nutzen und dadurch ein ökologisch stabiles System zu schaffen. Der Erwerbswaldgartenbau orientiert sich im Zusammenhang mit der Einkommensbildung jedoch auf wenige Hauptpflanzen, die im Rahmen des Vermarktungskonzeptes entweder als Urprodukte, bzw. als weiterverarbeitete Produkte verkauft werden. In Anlehnung an das Paretoprinzip werden auf diese Weise mit ca. 20% des Gesamtaufwands an Betriebsmittel, am Investitionskostenanteil und an der anfallenden Arbeitszeit rund 80% des Ertrages bzw. des Gewinnes erzielt. Darüber hinaus wird auf diese Weise eine zeitliche Überforderung sinnvoll vermieden.
Foto pixabay| Wirtschaftlich erfolgreich durch Konzentration auf wenige Hauptprodukte im Erwerbswaldgarten.
© Reinhard Engelhart| Kostendeckungspunkt – ab einer bestimmten Menge wird die Produktion gewinnbringend
Mengenproduktion
Die Kostenstruktur sämtlicher Produkte und Dienstleistungen bringt es mit sich, dass zu Beginn stets mit Verlusten zu rechnen ist. Die Erklärung dafür liegt im Zusammenhang zwischen Umsatzerlösen und der Fixkostenbelastung. Erst ab einer bestimmten erzeugten Menge bzw. ab einer bestimmten Anzahl an verkauften Dienstleistungen ergibt sich ein Gewinn, der mit zunehmender Menge so lange wächst, bis die Produktionskapazitäten erreicht sind.
Daraus ergibt sich der Schluss, dass wir, wenn wir bei einem regional typischen Verkaufspreis gewinnorientiert wirtschaften möchten, eine bestimmte Produktionsmenge benötigen. Die nachstehende Grafik versucht, diesen Zusammenhang zu verdeutlichen.
Als Kostendeckungspunkt wird jene Anzahl an erzeugten Produkten bzw. Dienstleistungen bezeichnet, bei der der Gesamtaufwand gleich hoch wie der Umsatzerlös ist. Um bei geringerer Mengenproduktion ebenfalls gewinnbringend zu wirtschaften, müssten wir die Preise derart hoch ansetzen und dabei Gefahr laufen, mit unrealistischen Preisen und damit einhergehend mit sehr geringer Nachfrage unsere Einkommensziele zu verfehlen.
Kaskadennutzung
Gleich einem Wasserfall, der über mehrere Stufen seinen Weg sucht, gilt es auch bei der Erzeugung von Waldgartenprodukten eine stufenweise Verwertung anzustreben, um die Wertschöpfung zu erhöhen und dadurch eine verbesserte Einkommenssituation zu schaffen.
Dahinter verbirgt sich die Überlegung, die vermeintlichen „Abfallstoffe“ im Produktionsprozess mit kreativen Ansätzen zu attraktiven Produkten zu machen. Ein perfektes Beispiel dieser Kaskadennutzung konnte ich in der Steiermark beobachten. Aus dem, bei der Erzeugung von Traubensaft anfallenden Trester, wurden die Traubenkerne herausgefiltert und daraus Traubenkernöl erzeugt. Die gepressten und gebrochenen Traubenkerne wurden anschließend getrocknet und als Mulchmaterial in die Beete eingebracht. Ihre scharfkantige Oberfläche verhindert das Eindringen von Nacktschnecken. Alle drei Produkte erwiesen sich als marktfähig und erreichten eine große, regionale Nachfrage.
Nutzung von angepassten Technologien
Jede Erwerbswaldgärtnerin und jeder Erwerbswaldgärtner wird ab einer bestimmten Größe des Waldgartens an ihre/seine Arbeitskapazitäten stoßen. Spätestens dann stellt sich die Frage, ob eine Arbeitserleichterung durch Einsatz von angepasster Technologie nicht sinnvoll wäre. Am Gebrauchtmaschinenmarkt finden sich zahlreiche Kleintraktoren, Maschinen und Geräte, die günstig zu kaufen und mit wenig Aufwand für die Erfordernisse der Waldgartenbewirtschaftung adaptierbar sind. Das Gleiche gilt für Maschinen und Geräte im Bereich der Be- und Verarbeitung.
Schon vor der Anlage eines Erwerbswaldgartens sollte die Frage des Maschineneinsatzes angedacht und entschieden werden, denn dadurch ergibt sich die Breite der Wegführung als zentrales Element der Waldgartengestaltung.
Geben wir der Natur ein Stück Land zurück
Wenn es gelingt, die Wirtschaftlichkeit der Permakultur sichtbar zu machen, dann können wir gemeinsam die gegenwärtige Landwirtschaft maßgeblich zu einer ökologisch stabileren, kleinteiligen und regional vernetzten Form verändern. Mit dem Konzept der Erwerbswaldgärten bietet sich diese Chance. Jedes Grundstück, dass aus der agroindustriellen Produktion herausgenommen wird, ist ein großartiger Beitrag für eine zukunftsfähige Welt.
Geben wir der Natur ein Stück Land zurück,
euer Waldgärtner
© Heinrich Ledebur| Einsatz von angepasster Technologie – mit Dammkultur kann speziell in den Anfangsjahren mit Gemüseproduktion in den noch lichten Waldgartenflächen zusätzliches Einkommen geschaffen werden.
Weiterführende Links:
Hohe Flächenproduktivität, fehlende Wirtschaftlichkeit – Schweizer Bauer
https://www.agroforst.uni-freiburg.de/download/agroforstsysteme.pdf
Agroforstwirtschaft – Die Schweiz als Vorbild! | Mareike Jäger (AGRIDEA, Schweiz) – YouTube
Agroforstwirtschaft weltweit und in Europa | Patrick Worms (EURAF) – YouTube
Wie Agroforstwirtschaft die Umwelt schützt – FUTUREMAG – ARTE – YouTube
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